Samstag, 21. März 2020

Samstag II - zu Hause.

Ich stehe am Gepäckband in Paris. Ich schalte mein Handy an und Lars hat mir jegliche Möglichkeiten geschickt wie ich von hier wegkommen kann. Inklusive eines Notfallhotels am Flughafen. Ich habe auch schon ein Ticket für einen Zug nach Brüssel in meinem Mailpostfach. Von dort würde Lars mich dann abholen. Lars ist als Ko-Partner für mein Reisebüro eindeutig mehr als akzeptiert.

Es gibt noch eine weitere Chance: einen Flug von Paris nach Nürnberg um 16:30 Uhr. Dieser fliegt allerdings von Terminal G ab. Nach einer Busfahrt und einem Sprint finde ich endlich das Terminal. Zwei Mitarbeiter von AirFrance sind noch in diesem Terminal. Ansonsten es komplett ausgestorben. Nach ewigem hin und her, Telefonaten und unverständlichen Gesprächen auf Französisch kann ich umgebucht werden. 7 Minuten vor Schließung des Gepäckschalters gebe ich meinen Koffer auf. Ich weis nicht, wann mein Herz das letzte Mal so geklopft hat. Ich renne durch die Sicherheitskontrolle, komme am Gate an, steige ein und bin also tatsächlich auf dem Weg nach Hause.

Als ich meinen Koffer vom Gepäckband nehme, fährt Lars gerade durch die Schranke am Flughafen. Wir sind eben doch ein eingespieltes Logistik-Team. Wir fahren 2 Stunden nach Hause, kaufen frisches Brot und nach über 25 Stunden Reise bin ich zurück.

Aktuell gibt es in Ecuador 506 mit Covid-19 infizierte Personen. Für das Ende der Ausgangssperre und die Schließung der Schulen und Universitäten wurde noch kein Termin genannt. Meiner Gastfamilie geht es gut und sie machen das beste aus der Situation. Seit Freitag ist auch die Werkstatt von meinem Gastpapa komplett geschlossen und man muss sehen wie es weiter geht.

Der diesjährige Ecuador-Sarita-Besuch war doch etwas abenteuerlicher und unerwarteter als gedacht. Danke an alle, die mich während des ganzen Flugchaos unterstützt und ihre Daumen gedrückt haben.




Freitag, 20. März 2020

Freitag II

Ich packe zum zweiten Mal meinen Koffer, diesmal nicht ganz so gestresst wie am Sonntag, gehe mit meiner Gastmama noch schnell ein paar Reisesnacks an der Ecke kaufen und drucke den neusten Passierschein der Botschaft aus. Ich verabschiede mich von Diego und meinem Gastpapa. Germa und ich starten Richtung Flughafen. Wir fahren durch die grünen Anden, die Sonne scheint am strahlend blauen Himmel, die Straßen sind wie ausgestorben und unser Auto quält sich, auf über 3.000m den Berg hochzukommen. Irgendwann schläft Germa neben mir für ein kleines Nickerchen ein. Die Welt sieht so friedlich aus.

Wir passieren mehrere Polizeikontrollen. Bei der 2. Kontrolle werden alle Autos von außen und innen desinfiziert. Die Polizisten der 3. Kontrolle sind plötzlich der Meinung, dass uns ein Dokument fehlt und wir nicht weiter fahren dürften. Germa überzeugt die Polizisten, dass sie das Dokument später ausdruckt, wir aber jetzt leider keine Zeit haben. Wir dürfen weiter fahren. Keiner der Polizisten will meinen Führerschein sehen. Alles was zählt ist der Passierschein. 5 Stunden vor meinem Abflug kommen wir in Quito am Flughafen an. Germa darf nicht länger als 15 Minuten bleiben und wir verabschieden uns schnell. Viel zu schnell. Später erfahre ich, dass sie noch 1 Stunde in der Nähe vom Flughafen gewartet hat, weil sie Sorge hatte, dass noch etwas schief geht. Sie hat eindeutig den Orden für die beste Gastmama auf Erden verdient.

Vor dem Flughafen hat sich bereits eine kleine Menschentraube gebildet. Ins abgeriegelte Flughafengebäude darf man erst 3,5 Stunden vor Abflug und nur mit Ticket. Es gibt zwei Schlangen. Die mit Ticket und die, die hoffen dass im Flugzeug noch Platz ist. Spoiler: Tatsächlich sitzen noch Personen unseres Fluges auf den Galapagos Inseln fest, weshalb noch einige Leute spontan mitkommen können.

Um Punkt 6 Uhr werden wir einzeln ins Gebäude gelassen, jeder muss sich die Hände desinfizieren und keiner darf sich irgendwohin setzen. Als ich nach weiteren Pass - und Sicherheitskontrollen in der Wartehalle sitze, habe ich sehr gemischte Gefühle. Bis jetzt war ich in einem Land in dem ich die Sprache spreche, hatte ein Dach über dem Kopf und meine Gastfamilie. Alle sagen mir, dass wird schon alles in Europa. Hauptsache Europa. Aber von nun bin ich erstmal auf mich alleine gestellt. Auch wenn meine Familie zu Hause und Lars alles probieren, um mich irgendwie schnell nach Hause zu holen. Aber dieses irgendwie ist es, was mir Sorgen bereitet.

Als unsere Crew durch die Wartehalle zum Flugzeug läuft, applaudiert die gesamte Halle. Gänsehautmoment. Wir boarden kurze Zeit später und das Flugzeug ist bis auf den letzten Platz besetzt. Ich falle kurz nach dem Start in einen unruhigen und ungemütlichen Schlaf. Aber immerhin schlafe ich ein bisschen. Am Samstag um 14:30 Uhr lande ich in Paris. 

Donnerstag, 19. März 2020

Donnerstag II

Tortillas des Tiesto zum Frühstück, Nachrichten lesen, Sportübungen auf der Dachterrasse auf 2500m, Mittagessen, gescheiterter Check-in für meinen morgigen Flug, Nachrichten schauen, Abendessen, meine Gastmama flechtet mir die Haare, Karaoke im Wohnzimmer und Wii spielen.

Ein weiterer Tag mit Ausgangssperre geht zu Ende. Um 21 Uhr fährt die Polizei mit Sirenen durch die Straßen und verkündet die nächtliche Ausgangssperre, bei der wirklich niemand mehr das Haus verlassen darf.

Mittwoch, 18. März 2020

Mittwoch II

168 Infizierte in Ecuador zum aktuellen Zeitpunkt. Ab heute herrscht absolute Ausgangssperre und man darf das Haus nur in dringenden Fällen, zur Arbeit oder für Einkäufe im Supermarkt oder in der Apotheke verlassen. Autos brauchen einen extra Passierschein. Personen über 65 Jahren dürfen das Haus gar nicht mehr verlassen. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss ziemlich teuer bezahlen. Die Strafe liegt bei bis zu 6.000 Dollar. Das Mindesteinkommen liegt übrigens in Ecuador bei eine Festanstellung bei 400 Dollar pro Monat. Die Straßen sind wie ausgestorben und es ist erschreckend still in dem sonst sehr lauten Land. Leider müssen wir noch unseren Strom bezahlen, das hat gestern auch schon nicht mehr geklappt. Laut meiner Gastmama geht das nicht über das Internet. Allerdings haben die Bezahlstellen im näheren Umkreis geschlossen, das Auto dürfen wir heute nicht benutzen (heute sind Kennzeichen mit ungerader Zahl dran) und Busse gibt es keine mehr. Wir hoffen also, dass wir morgen noch Strom haben. Auf der Straße an der Ecke zu unserem Haus patrouillieren Polizisten und das Militär und kontrollieren Passierscheine.

Meine Gastmama und ich nutzen die Chance, um uns zu versichern, dass sie mich am Freitag zum Flughafen bringen kann und auch wieder zurück kommt. Wir zeigen alle Dokumente für Freitag vor und sie sind so in Ordnung. Wir benötigen einen Passierschein der deutschen Botschaft, meine Flugreservierung, ein Dokument der ecuadorianischen Behörden, die Registrierung des Autos meiner Gasteltern, den Führerschein meiner Gastmama, ihren Personalausweis und meinen Pass. Der Polizist fragt mich die ganze Zeit, warum ich nach Deutschland muss und erst als ich meinen Pass raushole, verstehe ich, dass er dachte, ich sei keine Deutsche. Wir werden am Freitag also bei jeder Polizeikontrolle erstmal betonen, dass ich Deutsche Staatsangehörige bin und nach Hause fliegen möchte.

Mein Flug für Freitag ist weiterhin bestätigt. Für das Paris-Frankfurt-Problem hat sich noch keine endgültige Lösung gefunden. Aber nach Rücksprache mit der deutschen Botschaft in Paris, sollte es Züge nach Frankfurt geben. Ich bin gerade unfassbar dankbar für meine Familie, Lars und all meine Freunde in Deutschland, die sich gerade einige Gedanken um mich machen, gefühlt die Welt in Bewegung setzen, für mich recherchieren und telefonieren und mir auf den unterschiedlichsten Wegen zur Seite stehen. Danke an Euch alle!!

Statt Tanzeinheit gibt es heute Abend nochmal Tortillas de Tiesto. Diesmal aber in der Werkstatt, da es auf der Dachterrasse zu windig ist und meine Gastmama Angst hat, dass ich mich erkälte. Mir wird zudem jeden Tag ein Vitaminschock in Form von Orangen und Limetten verabreicht, damit ich ja fit bleibe. Wenn alles so bleibt, beginnt morgen mein letzter richtiger entspannter Ambato-Tag, bevor ich mich dann am Freitag vermutlich auf eine abenteuerliche Rückreise begebe. Um 21 Uhr fährt die Polizei mit Sirenen durch die Straßen und kündigt die beginnende Ausgangssperre bis morgen früh an. 

      

Dienstag, 17. März 2020

Dienstag II

Mein Morgen startet mit einem kleinen Quarantäneanruf in den Birkenweg und Anna und Mama sehen an ihrem 4. Tag in Quarantäne noch relativ entspannt aus. Während wir telefonieren storniert AirFrance meinen Flug von Paris nach Frankfurt. War irgendwie zu erwarten. Die deutsche Botschaft hat hierfür keine Lösung, bei der Fluggesellschaft kommt man telefonisch nicht durch. Eine e-Mail-Anfrage habe ich bereits gestellt, aber erwarte so schnell keine Antwort. Morgen steht ein Anruf bei der Botschaft in Frankreich an, die kennen mich immerhin noch nicht. Mit der Botschaft in Quito bin ich mittlerweile fast per Du. Da in meinem Flug am Freitag aber vermutlich sehr viele Deutsche nach Hause fliegen werden, hoffe ich einfach, dass sich irgendwie eine Lösung finden wird. Kritischer ist aktuell eher wie ich hier in Ecuador zum Flughafen komme. Aber auch hierfür wird sich morgen noch eine Lösung finden. Wir haben schon ein paar Optionen durchgedacht.

Unser Frühstückt ist irgendwie bedrückt und auf der Straße verkündet die Feuerwehr, dass wir uns im Ausnahmezustand befinden und bitte zu Hause bleiben sollen. Meine Gastmama und ich gehen dennoch kurz vor zur Straßenecke und versuchen noch ein paar Materialien auf Vorrat für die Werkstatt zu kaufen. Aber alles hat geschlossen. Die kleinen Supermärkte haben geöffnet, aber das sonst so bunte Treiben auf den Straßen ist komplett verschwunden. Leute eilen kurz in die kleinen Tante Emma Läden und keiner bleibt wie sonst für einen kleinen Plausch mit den Nachbarn stehen. Wir gehen zurück nach Hause, Diego schreibt an seiner Masterarbeit, meine Gastmama wäscht Wäsche und ich mache seit langem mal wieder einen Mittagsschlaf. Mein Gastpapa arbeitet dennoch unten in der Werkstatt und einige Kunden kommen sogar noch vorbei. Mittlerweile sind in Ecuador 111 Fälle bestätigt und ab heute Nacht herrscht Ausgangssperre.

Bevor diese beginnt, besuche ich allerdings noch die Gastfamilie meiner Nachfolgerin bei Cede. Germa und Diego bringen mich mit dem Auto hin und kommen noch kurz mit hoch. Aktuell wohnen bei der anderen Familie zwei deutsche Freiwillige, einer ist noch zu Besuch und Willy ist auch da. Mit den beiden Kindern der Familie sind wir dann plötzlich doch ganz schön viele, aber das ist dann irgendwie auch egal. Wir essen Kuchen, unterhalten uns natürlich über Corona, aber auch über die ein oder andere lustige Anekdote. 


Am Abend veranstalten meine Gastfamilie und ich einen kleinen Tanzcontest mit Youtube, tanzen Zumba im Wohnzimmer und spielen MauMau. Jegliche Sorgen um meine Rückreise sind vergessen, ich genieße einfach die Zeit mit meiner Gastfamilie und gehe ziemlich glücklich ins Bett. Aber ich weiß schon, dass mich morgen früh wieder die nächste Nachrichtenwelle überrollt und das Glücksgefühl vermutlich schnell verfliegt. 

Montag, 16. März 2020

Montag II

Um 6 Uhr bin ich hellwach. In meinem Mailpostfach keine Neuigkeiten der Deutschen Botschaft. Um halb 7 wacht meine Gastmama neben mir auf und nach "Guten Morgen Sarita" kommt die Frage: "Gibt es Neuigkeiten?" Ich verneine und um halb 8 sitzen wir inklusive Diego alle versammelt am Frühstückstisch. Pünktlich um halb 9 stehen wir vor den Büros von KLM/ AirFrance in Quito. Wir sind zum Glück die Ersten und werden gebeten, Platz zu nehmen. Es kommen immer mehr verzweifelte Touristen an. KLM/ AirFrance ist zu diesem Zeitpunkt die einzige Airline, die mit der Botschaft kooperiert und Rückholflüge anbietet. Keiner kann wissen, dass abends auch Iberia noch eine Kooperation anbieten wird.

Um viertel nach 9 werden wir in fünfer Gruppen in die Büros gebeten. Da ich bisher keinen Flug mit KLM/AirFrance habe, muss ich ein neues Ticket kaufen. Dies geht allerdings nur über die Website. Jedoch erhalte ich die Info, welche Flüge durch die Regierung und Botschaft bestätigt sind, sodass ich mir ein Ticket für genau solch einen kaufen kann. In der Zwischenzeit versucht Male, die Frau von meinem Gastbruder, bei AirCanada eine Umbuchung zu erreichen. Leider erfolglos.

Wir beeilen uns nach Hause zu kommen und ich kaufe direkt ein Ticket für den bestätigten Rückholflug am Freitag, den 20.03. um 21:25 Uhr. Der Preis ist mit 1.280 Dollar hoch, aber noch bezahlbar. Später am Abend steigt der Preis genau dieses Fluges bis auf 4.440 Dollar. Als mein Mailpostfach eine rote eins anzeigt und ich die Bestätigung für meinen Flug öffne, bin ich doch etwas erleichtert.

Nach dem Mittagessen fahren wir also mit Sack und Pack wieder zurück nach Ambato. Ich fahre, hupe fleißig beim Überholen und erfahre mal wieder, dass man das hier mit den Spuren und vor allem mit dem Spur halten nicht so genau nimmt. Meine Gastmama muss mich kurz durch das Straßengewirr Quitos leiten, aber sobald wir am Kreisel unterhalb des Panecillos sind, kenne ich den Weg nach Hause auswendig. Wir hören die Party-Playlist von Freitag, singen unsere Lieblingslieder mit und die Sonne scheint vom Himmel.
Alles wird gut.

Zurück in Ambato gehen wir direkt Material für die Werkstatt kaufen, ich verlängere mein mobiles Internet um eine Woche und telefoniere erneut mit der deutschen Botschaft. Mich beunruhigt etwas die Nachricht, dass die EU ihre Außengrenzen schließt. Die Botschaft bestätigt mir jedoch nochmal, dass mein Flug am Freitag als Rückholflug registriert ist und es als deutscher Staatsbürger keine Probleme bei der Einreise in die EU geben sollte.
Ich atme zum zweiten Mal an diesem Tag laut aus, steige auf unsere Terrasse, telefoniere mit Lars und schaue mir den nicht all zu spektakulären und schnellen Sonnenuntergang auf der Terrasse an. Willy und ich gehen nach dem Abendessen noch ein bisschen durch unser Viertel spazieren, während der Präsident eine neue Ansprache hält:

- Mittlerweile gibt es in Ecuador 58 bestätigte Fälle.
- Ecuador ruft den Ausnahmezustand bzw. Notstand aus.
- Geschäfte, Apotheken, Märkte und Lebensmittelgeschäfte haben weiterhin geöffnet.
- Ab dem 17. März gilt zwischen 21:00 Uhr und 5:00 Uhr morgens eine Ausgangssperre. Tagsüber soll das Haus nur für Einkäufe oder den Weg zur Arbeit verlassen werden. Im ganzen Land werden die Leute mit dem Hashtag #QuedateEnCasa aufgefordert, zu Hause zu bleiben.
- Zudem wird der Verkehr von Überlandbussen zwischen den einzelnen Provinzen (Bundesländern) eingestellt.

Problematisch ist vor allem folgende Maßnahme: 
- Autos mit Kennzeichen, die auf eine gerade Zahl enden oder eine Null, dürfen Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag nicht fahren, um zum Beispiel Einkäufe zu erledigen. Autos mit Kennzeichen, die auf eine ungerade Zahl enden, dürfen Dienstag, Donnerstag und Samstag nicht fahren. Leider endet das Kennzeichen meiner Gasteltern auf eine 2, weshalb wir am Freitag mit dem Auto nicht zum Flughafen fahren können. Ich werde versuchen morgen bei der Botschaft eine Genehmigung einzuholen, dass sie mich zum Flughafen bringen dürfen.

Insgesamt ist die Berichterstattung in Ecuador etwas dramatischer als die in Deutschland. Statistiken in den Nachrichten werden auch mal mit dramatischer Musik hinterlegt und auf allen Kanälen laufen Videos mit Anleitungen zum korrekten Hände waschen. Was Deutschland sich allerdings abschauen sollte, ist die Übersetzung jeder einzelnen Nachrichtensendung in Gebärdensprache.

Sonntag, 15. März 2020

Sonntag II

Zwischen Verzweiflung und Akzeptanz, dass man die Situation nicht ändern kann.

Mit der Einstellung des internationalen Flugverkehrs zu Montag Abend hat sich die Rückreise nach Hause deutlich verkompliziert. Ab 6 Uhr morgens versuche ich aus Ecuador und Lars aus Deutschland aus meine neue Buchung bei AirCanada umzubuchen. Ohne Erfolg. Bereits am Freitag wurde mein Flug mit Iberia storniert und ich habe schnell auf AirCanada umgebucht, um einen Zwischenstop in Europa zu vermeiden. Doch bei AirCanada erhalte ich zu diesem Zeitpunkt nur die Info, dass laut System der Flug am Donnerstag stattfinde. Um 14 Uhr telefoniere mit der Notfallkontaktperson der Deutschen Botschaft in Quito. Diese bestätigt mir, dass es Montag und Dienstag Rückholflüge mit KLM und AirFrance geben wird und dass solange ich von AirCanada nichts höre, ich abwarten soll. Mehr kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht tun, also machen wir uns gemeinsam mit Santi und Male, die extra aus Quito nach Ambato gekommen sind, auf den Weg zum Mittagessen. Um 16 Uhr storniert AirCanada meinen Rückflug und die Botschaft schickt an alle Touristen im Land die Empfehlung aus, das Land zu verlassen. In diesem Moment werde ich dann doch nervös.

Ich packe binnen von 10 Minuten meinen Koffer und verabschiede mich unter Tränen von meinem Gastpapa. Der Rest fährt mit mir zum Flughafen nach Quito, um zu schauen, ob wir dort irgendwas ausrichten können. Weder Iberia, noch AirCanada noch eine andere Airline ist telefonisch zu erreichen. Lars kümmert sich während wir auf dem Weg zum Flughafen sind um ausreichend Geld auf meiner Kreditkarte, damit ich den nächstmöglichen Flug kaufen kann. In der Regel ist die Fahrt zum Flughafen immer ein bisschen traurig, aber meistens hören wir dann doch noch unsere Lieblingslieder und wissen, dass wir uns irgendwie bald wiedersehen. Diesmal sind die 2,5 Stunden Fahrt ziemlich bedrückend. Am Flughafen ist alles abgeriegelt. Der Check-In-Bereich kann nur mit Ticket betreten werden. Ich hätte allerdings eindeutig mehr Chaos erwartet, aber es gibt keinerlei Chance irgendwo ein neues Ticket zu kaufen. Irgendwie findet Diego in der letzten Ecke des Flughafens den Zugang zu den Büros der Airlines. Man muss sich mit Passport registrieren und ich darf zum Glück meine Gastmama mit rein nehmen. Wir klappern die Büros von Iberia und KLM ab, AirCanada ist zu dieser Zeit am Sonntag nicht mehr besetzt. Iberia verweist auf den Kundenservice per Telefon. Danke dafür. KLM/AirFrance bieten Flüge für Montag und Dienstag an, aber diese sind komplett überbucht. Zu diesem Zeitpunkt kann ich nicht mehr tun als abzuwarten.

Ohne meine Gastfamilie wäre ich absolut aufgeschmissen. Ich weiß gar nicht wie ich ihnen danken soll. Es ist gut zu wissen, dass wenn ich nicht zurückkommen sollte, ich immerhin bei meiner Gastfamilie ein zu Hause habe. Meine Gastmama und ich bleiben bei Santi und Male in ihrer Wohnung in Quito und schlafen zusammen auf dem Sofa. Diego bleibt in seinem Studentenzimmer um die Ecke. Im Internet werden Tickets für Montag für fast 4.000 Euro angeboten, aber wer weiß, ob diese Flüge überhaupt fliegen. Ich mache um 12 Uhr die Augen zu und schlafe immerhin bis um 6 Uhr morgens durch.

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ecuador-node/ecuadorsicherheit/223232

Samstag, 14. März 2020

Samstag I

Im Haus der Frühaufsteher ist trotz Party gestern Abend ab 7 Uhr schon wieder was los. Ich wache mit der Nachricht auf, dass Mama, Papa, Anna und Patrick zu Hause nun nach ihrem Skiurlaub vorsorglich in häuslicher Quarantäne sind und irgendwie ist erstmal alle gute Laune vom gestrigen Partyabend verflogen. Corona kommt langsam aber sicher auch in Ecuador an. Seit einigen Tagen müssen Einreisende aus Deutschland hier zwangsläufig in eine 14-tägige Quarantäne. Ich bin ziemlich froh, dass ich hier am Sonntag noch entspannt einreisen konnte. Das Schwimmbad in dem wir vorgestern waren hat heute geschlossen und auch hier beginnen die Hamstereinkäufe - habe das Wort heute erst mal übersetzt. Aktuell ist noch nicht ganz klar, wann und wie ich nach Hause komme. Mein Flug mit Iberia und Zwischenstopp in Madrid ist storniert worden. Ergebnis nach 30 Minuten Warteschleife - nein, mit Iberia gibt es keine Flüge, erst wieder ab dem 1. April und es wird aufgelegt. Gemeinsam mit Mama, Papa, Anna und Lars entwickle ich einen Plan. Lars schafft erstmal einen Puffer auf meiner Kreditkarte, um möglichst zügig neue Tickets zu besorgen, Mama, Papa und Anna versuchen über das Auswärtige Amt etwas in Erfahrung zu bringen. Fest steht, dass ich ein neues Rückflugticket brauche. Direktflüge von Quito nach Deutschland gibt es allerdings nicht. Ein Zwischenstopp in den USA kommt nicht in Frage, einen Stopp in Europa möchte ich vermeiden und so bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten. Am Ende kaufe ich ein neues Ticket für Donnerstag mit Zwischenstopp in Kanada. Beantrage noch die elektronische Einreise und werde mir in diesem Moment mal wieder über den Luxus und das Privileg eines deutschen Passes bewusst. Spontan eine elektronische Einreisegenehmigung für Kanada zu erhalten wäre zum Beispiel für meine ecuadorianische Gastfamilie nicht möglich. Die Welt ist manchmal einfach ungerecht.
Mit meinem neuen Ticket im Mailpostfach bin ich etwas beruhigter und bereit, dem Coronastress ein paar Stunden zu entfliehen. Ursprünglich wollten wir heute meinen Gastbruder in Quito besuchen und morgen zu den heißen Quellen nach Papallacta fahren. Den Plan legen wir jedoch erstmal auf Eis und entscheiden uns für einen einsamen, verlassenen Nationalpark in der Nähe von Ambato.

Natürlich wird mir auf der ruckelnden und kurvigen Fahrt direkt schlecht und Diego muss zwischendurch anhalten, damit kein Malheur passiert. Zu den Straßenverhältnissen kommt noch die Höhe, denn wir befinden uns zwischenzeitlich auf fast 4.000m. Da kann einem auch mal ein bisschen übel werden. Nach kurzem Luft schnappen geht es weiter und wir schlängeln uns durch bewachsene Berge, Wolken ziehen an uns vorbei und ab und an taucht ein Sonnenstrahl das ganze in ein ziemlich mystisches Licht. Am Straßenrand stehen Kühe und Stiere und ab und an begegnet uns ein Auto. Nach unzähligen weiteren Kurven kommen wir irgendwann an der Lagune Pisayambo an und ich kann über diese Natur mal wieder nur staunen.

Wir schlendern also an der Lagune entlang, meine Gastmama erklärt mir fast jedes Gewächs, was an der Lagune wohnt und fahren beschallt von unseren Lieblingsliedern bei untergehender Sonne wieder nach Hause.

Zu Hause schauen wir Nachrichten und sind zurück im Coronawahn. Ecuador stellt am Sonntag Abend 23:59 den Flugverkehr für ankommende internationale Flüge ein. Erstmal ist eine Zeitspanne von 21 Tagen gesetzt worden. Ecuadorianer dürfen wohl noch bis Montag einreisen. Ausreisen könne man wohl zu jeder Zeit. Jedoch empfinde ich das Konzept als noch nicht zu Ende gedacht. Denn wenn keine internationalen Flüge reinkommen, gibt es meines Erachtens nach keine Flugzeuge, die das Land wieder verlassen können. Morgen früh steht also nun wohl erstmal ein neuer Warteschleifen-Marathon an.









Freitag, 13. März 2020

Freitag I


"Sarita, wenn ihr Freitag Abend nicht ausgehen könnt, dann laden wir einfach alle hier her ein. Wir machen das Licht aus und haben eine Discoteca." Gesagt, getan. Da alle Bars und Clubs geschlossen haben, machen wir einfach eine Hausparty bei uns zu Hause. Wenn ich es mir recht überlege, gibt es aber eigentlich immer eine Hausparty, wenn ich hier bin. Corona hin oder her. Mittags rühre ich ein bisschen Sangria an und Germa und ich produzieren 2 große Töpfe Quimbolitos für die Partygäste. Die Partycrew besteht aus Fernando, Vero, meinem Gastbruder Diego, meinen Gasteltern, Willy und Alfredo, einem Freund von Willy. Sitzen wir zu Beginn noch gesittet am Tisch, dauert es nicht lange bis die Sofas zur Seite geschoben werden und die Tanzfläche eröffnet ist. Diego und ich habe zuvor einen kleine Playlist mit allen all-time-classics zusammengestellt und die Mischung ist wild. Es ist von jeder tanzbaren Musikrichtung etwas dabei -Salsa, Banda, Merengue, Reggaeton, und zum Glück wohnt unter uns niemand, denn beim Lied Zapateando Juyayay wird doch etwas heftig gestampft. Um halb 3 nachts falle ich mit tausenden Ohrwürmern und erschöpft in mein Bettchen.

Dank Alfredo gibt es das ein oder andere Video, damit man sich den Tanzstil ein bisschen besser vorstellen kann :) 

Partycrew


Und während ich im Ecuador-Partymodus bin, überschlagen sich zu Hause die Ereignisse.

Donnerstag, 12. März 2020

Donnerstag I

Heute steht Mädelstag auf dem Programm. Diego ist auf dem Weg nach Quito zu einem Architekturevent und mein Gastpapa muss arbeiten. Also fahren Germa und ich alleine nach Baños. Auf der einstündigen Fahrt wird fast jedes unserer Lieblingslieder gesungen und ich verliebe mich mal wieder neu in die Landschaft. Wir schlängeln uns zwischen den grünen Anden durch, überholen langsamen LKWs und sportliche Touristen auf Fahrrädern. Unser erster Stop ist ein Wasserfall ganz am Ende von Baños. Wir sind die einzigen Besucher. Wir setzen uns an den Fluss des Wasserfalls und beobachten einfach nur wie das Wasser fällt und fällt und fällt. Um uns herum unzählige Bäume, bunte Blumen und kleine Kolibris. Als ich mir einen Ausflug zum Wasserfall gewünscht habe, hatte ich vergessen, dass man am Ende den ganzen Weg unten vom Wasserfall auch wieder hoch laufen muss. Es fängt an zu regnen und ich weiß am Ende nicht mehr, ob ich nass aufgrund von Regen oder Schweiß bin. Zweiter Stop: noch ein Wasserfall. Dieser ist wesentlich touristischer, der Weg hinunter und hinauf nicht ganz so steil und der Eintritt kostet statt einem Dollar nun zwei. Wir klettern bis hinter den Wasserfall und unterhalten ist bei dem Krach eindeutig nicht möglich.

Da Baños eine echte Touri-Stadt ist, nutzen wir es aus, dass es unzählige internationale Restaurants und Cafés gibt. Wir landen zum Mittagessen also auf der Terrasse eines Schweizer Restaurants und essen Rösti und Spätzle. Unser letzter Stop: Schwimmbad. Schwimmbad mit Flusszugang. Das Wasser kommt direkt aus den Bergen und ist mit Vulkanerde versetzt. Daher ist es ziemlich braun, riecht etwas streng und ist angeblich super für die Haut. Es herrscht Badekappenpflicht und alleine wäre ich aufgrund des doch leicht ramponierten Erscheinungsbildes niemals in dieses Schwimmbad gegangen.

Und während wir ganz entspannt unseren Mädelstag genießen, gelangt die Coronapanik auch nach Ecuador. An den Flughäfen wird noch drastischer kontrolliert aus welchem Land jemand einreist. Auf unbestimmte Zeit wurden alle Schulen und Universitäten geschlossen. Es finden keine Gottesdienste oder Großveranstaltungen mehr statt. Bars und Clubs müssen vorerst geschlossen bleiben.

Wie viele Infizierte es überhaupt in Ecuador gibt weiß niemand ganz genau. Die Berichterstattung ist nicht wirklich transparent. Laut der Johns Hopkins Erfassung sind es jedoch gerade mal 17 bestätige Fälle. Meine Gastmama vermutet, dass die Maßnahme vor allem ergriffen wurden, um die Bevölkerung an Protesten gegen die Regierung zu hindern. Im Oktober 2019 kam es in Ecuador zu Protesten und Ausschreitungen, da der Benzinpreis stieg. Da in den nächsten Wochen weitere Veränderungen wie diese anstehen und Proteste erwartet werden, hat der aktuellen Regierung das Virus möglicherweise in die Karten gespielt. Dies ist zumindest die Vermutung meiner Gastmama.


Schwimmbaddusche. Warmes Wasser direkt aus den Bergen.


Ecuador aktivster Vulkan: Tungurahua










Mittwoch, 11. März 2020

Mittwoch I

Um viertel vor 6 habe ich ausgeschlafen und höre wie sich mein Gastpapa für seinen Sportkurs im Park um die Ecke fertig macht. Um 6 Uhr geht die Sonne auf. Romantischen Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang gibt es in Ecuador nicht, dem Äquator sei dank. 6 Uhr morgens Licht an, 6 Uhr abends Licht aus. Zum Frühstück gibt es heute gegrillte Bananen mit Käse. Diese Kombination kann man hier auch an jeder Straßenecke egal zu welcher Uhrzeit kaufen. Und während wir gerade am Frühstückstisch überlegen, was wir heute so machen, ruft mein Gastpapa, dass er irgendein spezielles Material für die Werkstatt braucht. Wir machen uns also auf den Weg ins Centro und ich fahre.

Nach 10 Minuten habe ich mein deutsches Fahrverhalten abgelegt und passe mich dem ecuadorianischen Fahrstil an. Überholen ohne Blinker kein Problem, hupen gehört zum guten Ton und Fußgänger auf Zebrastreifen haben keine besonderen Rechte. Meine Gastmama und Diego vergessen irgendwie, dass ich doch nicht jede einzelne Ferreteria (mini kleiner Baumarkt in TanteEmmaLaden Format) kenne und so drehen wir einige Ehrenrunden, da ich die ein oder andere Abzweigung verpasse. Der Materialkauf gestaltet sich zudem schwieriger als gedacht und am Ende fahren wir 4 Mal zwischen zwei verschiedenen Läden her. Manchmal fehlt es hier einfach ein Effizienz. Aber gerade das macht das Leben vielleicht auch einfach aus.

Pünktlich zum Mittagessen sind wir aber wieder zurück und es gibt frittierte Kochbananen, Linsen und Reis. Seit Tagen freue ich mich auf dieses Essen. Abends treffe ich Vero und Fernando. Beide sind 28 Jahre alt, seit 10 Jahren verheiratet, haben 3 Kinder und eine Zeit bei Cede gearbeitet. Wir treffen uns in Claras und meinem Lieblingscafé in Ambato und die Besitzerin erkennt mich direkt wieder. Das passiert mir in Frankfurt eindeutig nicht. Am Ende des Abends habe ich Muskelkater vor lachen.


Dienstag, 10. März 2020

Dienstag I

"Vamos Sarita" - "los gehts Sarita" ist seit meinem Jahr hier eindeutig mein am häufigsten gehörter Satz. Vor allem weiß eigentlich keiner so genau wohin es eigentlich geht. Während man auf dem Weg ist, kann man sich ja schließlich immer noch überlegen, wo man eigentlich hin möchte. Verstehe einer diese Logik. Mein Gastbruder Diego und ich landen also nach dem heutigen "vamos Sarita" im neuen Blumenpark von Ambato. Wir schlendern zwischen Lavendel, Aloe Vera und sonstigen mir unbekannten Pflanzen her und reden über Gott und die Welt. In den Anden um uns herum hängen die Wolken fest und die Sonne schafft es nicht durch die Wolkendecke. Zumindest noch nicht. Als ich später auf unserer Terrasse stehe, sieht das anders aus. Die Wolken brechen auf, die Sonne scheint und ich sehe endlich unseren Hausvulkan, den Tungurahua. Aber irgendwie habe ich doch mal wieder die Kraft der Sonne auf 2570m unterschätzt und meine Nase ist trotz Sonnencreme rot.

Das zweite "vamos Sarita" an diesem Tag führt uns nach Salasaka, eine Stadt circa 20 Minuten von Ambato entfernt. Da ich meine geliebte Alpakadecke vom Markt in Salasaka bei Mama und Papa gelassen habe, muss nun für unsere Wohnung in Frankfurt eine neue her. Nicht umsonst bin ich mit dem größten Koffer angereist. Diego, Germa und ich laufen also über den Markt, lassen uns diverse Decken zeigen und meine Gastmama handelt, handelt und handelt. Da dies eindeutig nicht zu meinen Kernkompetenzen gehört, bin ich froh, dass sie den Teil übernimmt. Auf dem Rückweg kaufen wir Maismehl für unsere besondere Kochsession am Abend.

Kaum hat mein Gastpapa die Werkstatt unten im Haus geschlossen, schnappen wir uns den Feuertopf und tragen ihn auf die Terrasse. Diego macht uns ein Feuer an, wir stellen eine Tonplatte darauf und es gibt Tortillas de Tiesto. Der Teig besteht aus Maismehl, Milch, Salz und Ei und manche füllen wir mit Zuckersirup und andere mit Käse. Und während unsere Tortillas braten, legen wir eine kleine Tanzsession um das Feuer ein und die Lichter der Stadt glänzen im Hintergrund. Gegen 7 klopft es an unser Tor -nein eine Klingel besitzt unser Haus nicht- und Evi und Rommel kommen vorbei. Rommel ist der Chef der Musikschule in der ich ein Jahr gearbeitet habe und eigentlich sollte ich die beiden erst morgen Abend sehen. Überraschung. Wir essen alle zusammen, es werden Witze erzählt, sich über Tratsch und Klatsch ausgetauscht und ich fühle mich, als sei ich nie weg gewesen.







Montag, 9. März 2020

Montag I

Es dröhnt laute Musik und Werbung aus den Lautsprechern der Geschäfte, Händler preisen ihre Ware an, ein dampfender Grill mit Fleisch steht am Straßenrand und der Medizinmann auf dem Bürgersteig rührt klebrige Säfte zusammen. Die alten klapprigen Busse geben besorgniserregende Geräusche von sich, Autos hupen laut und junge Pärchen in Schuluniform stehen knutschend in Hauseingängen. Diego und ich überqueren die Straße, kaufen in einem kleinen Laden einige Materialien für die Werkstatt meines Gastpapas und ganz automatisch weiche ich den großen Löchern auf dem Bürgersteig aus, die seit Jahren nicht repariert werden.

In der Werkstatt unter unserem Haus wird fleißig geschweißt, gehämmert und die Kunden stehen Schlange. Wir liefern also die Materialien ab und Germa und ich widmen uns einer unserer Lieblingsbeschäftigung: kochen. Wir erstellen einen Plan, was ich in den nächsten zwei Wochen alles essen möchte und beginnen direkt mit dem ersten Gericht: Sancocho. Eine Suppe mit weißen Maiskolben, Kochbananen und Yucca. Normalerweise schwimmen in der Suppe noch Hühnerfüße, aber die lassen wir für mich zum Glück weg. Ganz so ecuadorianisch muss ich dann doch nicht essen.

Nach einem Besuch bei Willy am Nachmittag, geht es abends mit meiner Gastfamilie ins Centro. Santi bleibt noch bis morgen in Ambato und so sitzen wir zu 5. in einem kleinen Restaurant und reden über Ecuadors Wirtschaft, über die Proteste letztes Jahr in Ecuador, dass es in Ecuador immer noch sehr wenige Angebote für Sprachtherapie gibt und wie man respektvoll ältere Personen anspricht. Dabei trinken wir Jugo de Mora (ein Saft aus einer Art Brombeere, die es nur hier gibt) und essen Sandwichs.





Sonntag, 8. März 2020

Ecuador-Sarita ist zurück. Mal wieder.

Dienstag gebe ich glücklich meine Masterarbeit ab, bestehe meine mündliche Abschlussprüfung, Mittwoch verlasse ich um 17 Uhr die Praxis und Donnerstag ist mein erster Urlaubstag. Ich bin bereit für 3 Wochen Urlaub. Wie könnte man diese besser nutzen, als seine geliebte Gastfamilie zu besuchen. Mein Flug nach Ecuador ist seit einigen Wochen gebucht, Schokolade und sonstige Mitbringsel liegen bereit und in meinem Kopf ist mein Koffer schon halb gepackt.

Das Coronavirus ist überall präsent, in Ecuador zum Glück noch nicht wirklich angekommen und immer mehr Fluglinien streichen ihre Flüge. Und während ich mich am Donnerstag Morgen mit einem schon etwas unguten Gefühl in das Buchungsportal von Iberia einlogge, stelle ich schnell fest, dass dieses Gefühl begründet ist. Flug von Frankfurt nach Madrid am Sonntag annulliert. Von Madrid nach Quito komme ich aber wohl. Nach 2 Stunden Diskussionen in der Hotline bin ich auf den Flug am Samstag Abend um 19:05 gebucht. Dann startet meine Reise eben ein bisschen früher und beinhaltet noch eine Nacht in Madrid. Hauptsache ich komme an. Und während in Deutschland Supermärkte leer gekauft werden und immer mehr Panik ausbricht, rufe ich meine Gastmama an, um sicherzustellen, dass Ecuador noch kein Einreisestopp verhängt hat. Germa, meine Gastmama, beruhigt mich und verspricht mir, dass sie sich sonst persönlich darum kümmert, dass ich einreisen kann. Und tatsächlich bekomme ich am Samstag Nachmittag meinen Einreisestempel in den Pass. Der letzte liegt tatsächlich 839 Tage zurück. Die Beamtin am Schalter lächelt hinter ihrem Mundschutz und wünscht mir einen schönen Aufenthalt. Zuvor wurde bei jedem Einreisenden von Personen in komplettem "Seuchenoutfit" Fieber gemessen und der ein oder andere aus der Schlange gezogen. Die Frau neben mir im Flugzeug hat den kompletten Sitz, Bildschirm und Tisch desinfiziert und tatsächlich 11 Stunden tapfer ihren Mundschutz getragen. Ich schwanke immer noch, ob alles übertrieben ist oder doch notwendig.

Am Gepäckband fällt mir ein Stein vom Herzen, dass es mein Koffer mit 2 kg Schokolade, Apfelgelee, Bier, Wein, Gummibärchen und sonstige Geschenken es tatsächlich nach Quito geschafft hat. Ich war mir da nicht ganz so sicher, ob er bei über 12 Stunden Stopover nicht doch irgendwo stehen gelassen wird. Mein Gepäck wird ein letztes Mal kontrolliert und ich bin bereit meine Ecuador-Familie nach 518 Tagen (so lange haben wir uns seit 2013 noch nie nicht gesehen) in die Arme zu schließen. Vielleicht kommt ein kleines Freudenstränchen und ich kann erstmal gar nichts sagen, da ich unter den Umarmungen meines Abholkommitees bestehend aus meinen Gasteltern Germa y Jorge, meinen Gastbrüdern Diego und Santiago und Santiagos Frau Male zu ersticken drohe. Meine Brüdis nehmen meine Koffer, meine Gastmama drückt mir eine Flasche Sprudelwasser in die Hand, weil sie weiß, dass ich das ziemlich gerne trinke, mein Gastpapa erzählt mir direkt einen schlechten Witz und wir suchen das Auto auf dem riesigen Parkplatz. Das passiert uns irgendwie jedes Mal. Ich sitze eingekuschelt zwischen meinen Gasteltern auf der Rückbank und werde über alles mögliche ausgefragt. Wir setzen Santis Frau Male bei ihren Eltern in Quito ab und fahren zu 5. Richtung Ambato. Santi hat einen Termin am Montag in Ambato und Diego schreibt aktuell seine Bachelorarbeit in Architektur in Ambato. Sonst wohnen beide in Quito. Und so kommt es, dass ich an meinem ersten Abend mit der gesamten Familie am Abendessenstisch sitze und mich einfach fühle als hätte mein Ecuadorleben nie pausiert. Um 5 Uhr morgens nach deutscher Zeit falle ich in mein Bettchen. Ecuador-Sarita ist zurück. Zumindest bis zum 19. März.



Habe mich nicht getraut bei der Einreise ein Foto zu machen. Aber dieses Bild habe ich in der Zeitung gefunden.