Samstag, 12. März 2022

Samstag I

Um halb 8 sitzen Santi, Male, Diego und ich im Auto nach Ambato. Diego und ich habe bei Santi und Male in Quito übernachtet und nun sind wir auf dem Weg zum Familienwochenende in Ambato. Die 2 Stunden Fahrt nutzen wir für einen kompletten Rundumschlag und Austausch über Deutschland und Ecuador: Gab es in der Pandemie viele Arbeitslose? Was passiert in Deutschland, wenn man seine Arbeit verliert? Gibt es eine Impfpflicht? Wie viel kostet aktuell ungefähr eine Wohnung zur Miete? Wer ist der Nachfolger von Angela Merkel? Wie viele Steuern zahlt man? Heiratet man in Deutschland eher früher, später oder gar nicht?

Ich erzähle von Kurzarbeit, von unserer Arbeitslosenversicherung, von unserer aktuellen Regierung und vom allgemeinen Leben. Über vieles haben wir uns im Allgemeinen schon mal ausgetauscht, schließlich sehe ich Santi, Diego und Male nicht zum ersten Mal und auch waren alle drei schon bei mir in Deutschland zu Besuch, aber in der Zwischenzeit hat sich doch einiges verändert. Und immer wieder wird mir bewusst, dass ich der Meinung bin, dass wir im Allgemeinen in einem gut funktionierenden Staat leben. In Ecuador haben während der Pandemie sehr viele ihre Arbeit verloren und der Arbeitsmarkt ist aktuell sehr schwierig. Meine Gastschwester am Donnerstag, wie auch meine Gastfamilie erzählen mir von unzähligen Familien, die wegen der schlechten Arbeitssituation ausgewandert sind. Von Kurzarbeit oder einer guten Arbeitslosenversicherung kann man hier nur träumen.

In Ambato wartet meine Gastmama bereits mit Frühstück auf uns, damit wir gestärkt zu unserem Tagesausflug starten können. Ich habe mir gewünscht zum höchsten Berg Ecuadors zu fahren, zum Vulkan Chimborazo. Der Chimborazo ist 6.263 m hoch. Bis auf 5.100 m kann man ohne Guide hinaufklettern. Wir packen Handschuhe, Schal, dicke Jacken und Unmengen an Essen ein und fahren zu 6. in einem Auto. Santi, Diego, Male auf der Rückbank, mein Gastpapa fährt und Germa und ich zu zweit auf dem Beifahrersitz. Anschnallen ist überbewertet und wenn die Polizei vorbeikommt passiert in der Regel nichts. Es ist durchaus auch nicht unüblich, dass wir in unserem Auto schon zu 8. gefahren sind mit noch einer Person im Kofferraum oder dass auf einem Motorrad drei Personen und ein kleines Baby und vielleicht auch noch ein Hund sitzen. Heute sitzen wir aber nur zu 6. im Auto und haben hinten noch Diegos Fahrrad drauf geschnallt. Auf dem Weg fahren wir an frei lebenden Alpakas und Vicuñas vorbei und je näher wir dem Ziel kommen, desto diesiger und nebliger wird es. Am Ende kann man kaum noch seine eigene Hand vor Augen sehen. Wir parken unser Auto auf 4.800m und machen uns auf den Weg bis zur Schneegrenze. Bevor wir aussteigen bekommt noch jeder ein Bonbon in die Hand gedrückt, da Zucker gegen die Höhe hilft. Man merkt durchaus die dünne Luft und kann nur sehr langsam laufen. Mit der ein oder anderen Pause schaffen wir es bis nach oben. Ich bin stolz, weil ich noch nie einen so hohen Berg bestiegen habe (der Cotopaxi war ein bisschen niedriger) und meine Gastfamilie ist happy, weil sie Schnee in den Händen halten. Nach dem Auf- und Abstieg gibt es ecuadorianisches Picknick: Yucca, Fleisch, Habas, weiße Maiskolben, eine Art kleine Kartoffeln, Tomatensalat, Bananen und Mandarinen. Nachdem wir alle gestärkt sind, geht es zurück nach Hause. Den Heimweg nutzt Diego jedoch noch für sein neustes Hobby: Mountainbike fahren. Fahrrad fahren wir in Ecuador zwar immer beliebter, aber noch ist der Verkehr nicht auf Fahrradfahrer eingestellt. Um Diego vor wilden Bus- und LKW-Fahrern zu schützen, fahren wir mit Warnblinker hinter ihm her, während er die Straße runter strampelt. Nach circa 30 Minuten bergab laden wir Diego und Fahrrad wieder ein. Wir spielen Germas Lieblingsspiel: Lieder singen. Es wird ein USB Stick mit verschiedensten Liedern anschlossen. Für jeden Musikgeschmack ist was dabei. Jeder bekommt einen Song, den er singen muss. Die Beifahrer dürfen aber als Chor unterstützen. Sprich am Ende sitzen eigentlich nur alle im Auto und singen von Avril Lavigne und Coldplay über Reggaeton und Americo bis hin zu ecuadorianischen Klassikern und Cumbia alles mit. Am Abend sitzen wir zu 6. vor dem Fernseher, schauen ein Fußballspiel im Fernseher und nach und nach fallen allen die Augen zu.



Vicuñas
5000 m mit super Aussicht


5.100 m 


wenn kurz die Kette rausspringt




Lars hat mir vor meinem Abflug nicht geglaubt, dass im ecuadorianischen Zahlungsverkehr ein 20 Dollarschein das Maximum ist. Auf dem Schild an einer Bezahlstation der Autobahn steht, dass höchstens Scheine im Wert von 20 Dollar angenommen werden. In kleineren Läden braucht man erst gar nicht versuchen, mit einem 20 Dollarschein zu bezahlen.
Ecuador ist weiterhin ein absolutes Bargeldland.


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