Freitag, 11. März 2022

Freitag I

Quito, Deutschkurs und Ungerechtigkeiten.


Der Morgenspaziergang fällt heute aus, denn ich fahre nach Quito meine Gastbrüder besuchen. Eigentlich wäre ich gerne mit dem Überlandbus gefahren, aber Corona begleitet uns doch noch ein bisschen und es ist ein wenig sicherer eine Mitfahrgelegenheit zu nehmen. Puerta a Puerta heißt diese, sprich von Tür zu Tür. Das Auto holt mich vor unsere Haustür ab,  ich habe noch 2 Mitfahrer, alle mit FFP2 Maske und für 15 Dollar werde ich 140 km später vor Diegos Tür abgesetzt. Der rabiate Fahrstil meines Puerta a Puerta Fahrers steht dem der Busfahrer in nichts nach. Leider wird mir bei dem Fahrstil ziemlich schlecht und ich kann mich nicht am Gespräch beteiligen, dass es in Dänemark den besten Käse gibt, wie seltsam es ist, dass es in Europa einen Standstreifen für Krankenwagen gibt und dass man in Europa überall nur 130 km/h fahren darf. Wäre es mir nicht so schlecht gegangen, hätte ich mich vermutlich doch als Deutsche geoutet und die ein oder andere Sache richtig gestellt.

Bei Diego angekommen, erstellen wir ihm erst mal eine Spotify Liste mit deutschen Liedern, da Diego mittlerweile B1 im Deutschen hat. Wir versuchen seit ich hier bin nur Deutsch miteinander zu sprechen und zu schreiben. Im Bus ins Centro fallen wir damit durchaus etwas auf. Wir fahren ins historische Zentrum Quitos. Die Busse stoßen schwarze Rauchwolken aus, Händler steigen in den Bus ein und bewerben ihre Ware und wer sich im Bus nicht gut festhält, fällt um. Wir steigen die steile Straße zur Basilika auf und ich bestelle an der Kasse zwei Eintrittskarten. Es gibt Karten für Ecuadorianer und welche für Touristen. Ein bisschen stolz bin ich schon, dass ich automatisch zwei Karten für Ecuadorianer bekomme.

Nach unzähligen Stufen haben wir einen unglaublichen Blick über Quitos Süden. Zuletzt war ich vor 10 Jahren mit Mama, Papa und Anna hier oben. Am Nachmittag begleite ich Diego in die Uni zu seinem Deutschkurs. Santi, mein großer Gastbruder, holt uns nach dem Kurs ab und wir machen uns auf den Weg in Quitos Norden. Wir holen Santis Frau Male ab und landen zum Essen auf einer wunderschönen Dachterrasse mit Lichterketten, Loungemöbeln und richtig gutem Essen. Regulär findet man in Ecuador eher grelle Beleuchtung und gerne auch Plastikstühle, weshalb so ein schönes Ambiente eine schöne und besondere Abwechslung ist. Bei Crepes, Tee und Kaffee kommen wir irgendwann aufs Thema Reisen und mir wird wieder bewusst wie privilegiert ich mit meinem deutschen Pass bin. 


Ich habe über das Thema schon mehrmals geschrieben, aber immer wieder macht mich diese Ungerechtigkeit richtig wütend. Wie kann es sein, dass ich fast überall einfach so hinreisen darf, nur weil ich das Glück hatte, in Deutschland geboren zu sein. Santi und Male haben beide gut bezahlte Jobs in Ecuador, eine Wohnung, Familie hier und sind sehr zufrieden mit ihrem Leben in Ecuador. Dennoch haben sie den Wunsch etwas von der Welt zu sehen. Verständlich. Doch mit ihrem ecuadorianischen Pass dürfen sie in 90 Länder visumfrei reisen. Zum Vergleich: mit einem deutschen Pass sind es 158 Länder. Vor allem für Reisen in die Europäische Union oder auch in die USA ist das Visumverfahren relativ komplex. Nicht wie wenn wir mal eben schnell ein ESTA-Formular beantragen, sondern wir sprechen von hohen Kosten, unendlichem Zeitaufwand und vielen Dokumenten wie Einladungskarte, Nachweise über Kontostände etc.


3 Dinge bringen mich an dem Abend besonders zum Nachdenken:

  1. Male würde gerne nach Mexiko reisen. Bis letztes Jahr durften Ecuadorianer visumfrei nach Mexiko reisen. Doch da in der Pandemie viele über Mexiko versucht haben in die USA einzureisen, braucht es ab nun ein Visum.
  2. Santi und Male waren letztes Jahr auf San Andres, einer wunderschönen Karibikinsel, die zu Kolumbien gehört. Es hätte unzählige günstige Flüge mit einem Umstieg in den USA gegeben. Doch weil sie sogar für den Transit in den USA ein Visum bräuchten, mussten sie die wesentlich teureren Flüge buchen.
  3. Im Juni 2022 heiraten Freunde von Santi und Male in den USA. Die beiden haben sich vor ein paar Monaten für ein Visum beworben, um zur Hochzeit zu fliegen. Ohne jegliche Begründung wurde dieses abgelehnt. Die große Sorge ist, dass Personen mit einem Touristenvisum einreisen und dann nicht mehr gehen. Durchaus ist diese Sorge berechtigt, denn in der Pandemie ist dies tatsächlich sehr häufig geschehen. Doch wenn ich jegliche Dokumente vorlege, die zeigen, dass ich durchaus Interesse habe zurückzukehren, wie kann mein Visum dennoch abgelehnt werden? Vor allem, wenn ich bereits, wie die beiden, zwei Visa für den Schengen Raum und ein Visum für Großbritannien erhalten habe und jedes Mal zurückgekehrt bin. Wie kann es sein, dass ein US-Beamter bestimmen kann, ob ich zur Hochzeit meiner Freunde fahren darf oder nicht.




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